Spahn hat Recht!

Ja, wir sind uns einig: die Art und Weise, wie Spahn resp. sein Ministerium das mögliche „Zurückhalten“ des Impfstoffes von Biontech verkündet haben, war mal wieder ein kommunikativer „GAU“ und passt sehr gut in die Reihe verkorkster Krisenkommunikation, die wir nun seit etlichen Monaten erleben!
Aber: hat er denn Unrecht? Ich finde: NEIN!

In Anbetracht der Erkenntnisse des RKI und der STIKO ist es tatsächlich sinnvoll, den Biontech-Impfstoff den Jüngeren mit einem Lebensalter unter 30 vorzubehalten. Schließlich wollen wir doch, dass unsere Kinder und ggf. Enkel, für die es nun endlich auch eine Impfempfehlung gibt, rasch geimpft und damit auch vor Infektionen geschützt werden können, wie es für uns ältere schon seit Monaten möglich ist. Wir „alten Säcke“ können unseren Impfschutz problemlos mit Moderna verlängern, einem Impfstoff, der für Lebensjüngere möglicherweise etwas risikobehafteter ist als für uns. Dass Moderna allen Erkenntnissen zufolge für uns sogar noch etwas wirkungsvoller ist, kommt hinzu.

Also, liebe Altersgenoss:innen: lasst euch von Spahns kommunikativer Fehlleistung nicht abschrecken und nutzt zum Boostern den Moderna-Impfstoff. Wir geben damit den Jüngeren die wichtige Chance, ebenfalls rasch ihren Impfschutz mittels Biontech zu erlangen.
Im Ergebnis hat Spahn nämlich Recht!

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„Klimaticket“ vs. „Schwarze Mamba“

Gerade wird wieder bei uns das österreichische „Klimaticket“ hoch gelobt – für 1000 € ein ganzes Jahr unbegrenzt mit der Eisenbahn fahren zu können klingt ja auch gut! Und gleich wird wieder lamentiert: warum haben wir solch‘ ein preiswertes Ticket nicht auch in Deutschland?

Aber: wie sieht das im Vergleich aus?
Österreich hat ein Bahnnetz von ca. 5300 km, Deutschland von ca. 33000 km (DB Netz). Die österreichische Netzkarte („Klimaticket“) kostet, wie oben gesagt, 1000 €. Und nun kommt es: die deutsche BahnCard 100 („schwarze Mamba“) kostet für die 2. Klasse ca. 4000 €.
Das bedeutet: pro km Streckennetz zahlt man in Österreich für die Jahresnetzkarte ca. 19 Ct, in Deutschland jedoch nur 12 Ct! Die „schwarze Mamba“ ist also streckenbezogen ein sattes Drittel billiger als das österreichische Klimaticket!

Allerdings: Österreich und Deutschland sind unterschiedlich groß, und längst nicht jeder in Deutschland möchte mit seiner Karte zB aus dem Ruhrgebiet auch in der Lausitz oder in Oberbayern ohne weitere Kosten fahren können. Es läge also nahe, die deutsche „schwarze Mamba“ zu regionalisieren und damit den in Deutschland heute schon vorhandenen relativen Preisvorteil gegenüber dem „Klimaticket“ auch in absolute Zahlen umzusetzen.

Klima und Umwelt würden es uns sicherlich danken!

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Der historische Fehler der Union

Nach dem Ergebnis der Bundestagswahl drängt es mich, im Rückblick einmal für mich (siehe Titel meines Blogs „Meine Weltsicht …“, und zwar meine ganz persönlich-subjektive) zusammenzutragen, wo ich die Quelle für die aktuelle Situation sehe. Dieser Text soll auch dazu dienen, meine eigenen Erinnerungen aufzuschreiben, denn wer weiß, ob ich dazu später noch einmal Lust, Zeit und Gelegenheit haben werde.

Interessanterweise stelle ich dabei fest, dass die Union anscheinend bereits vor fast 50 Jahren die fatale Fehlsteuerung unternommen hat, die sich heute manifestiert.

Man erinnere sich:
Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hatte der „Club of Rome“ seine Untersuchung „Die Grenzen des Wachstums“ herausgegeben. Wenn in der Rückschau viele der dort getroffenen Annahmen (glücklicherweise) nicht eingetroffen sind, ist jedoch auch heute erkennbar, dass die Tendenz richtig war. Die damaligen Überlegungen sind an vielen Stellen aufgenommen worden (z.B. unter dem Stichwort „Bewahrung der Schöpfung“ in der katholischen Kirche), unter anderem aber auch in der damaligen CDU. Protagonist hierfür war Herbert Gruhl, der 1975 als CDU-Bundestagsabgeordneter, Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion in Umweltfragen und Bundesvorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) ein Buch mit dem Titel “Ein Planet wird geplündert – die Schreckensbilanz unserer Politik“ veröffentlichte. Wie man Gruhls Lebenslauf auf Wikipedia entnehmen kann, war er auch Vorsitzender der CDU-Arbeitsgruppe für Umweltvorsorge, die ein „Konzept der CDU für Umweltvorsorge“ entwarf; an diesem Papier hat auch der spätere Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der bereits 1972 als „Schatten-Umweltminister“ eines möglichen Kabinetts Rainer Barzel galt, mitgewirkt. Fragen der Umweltpolitik waren also, wie man sieht, in der CDU damals durchaus prominent vertreten, und ich sage: für eine auf dem christlichen Menschenbild basierende Partei war das auch absolut gut und richtig!
Das war damals die Zeit, in der ich mein Studium begann und gleichzeitig aktiv politisch in der Jungen Union und der CDU tätig war. Gruhl war damals für etliche Leute durchaus ein Hoffnungsträger und Auslöser für manche Aktivitäten, die man heute als „eher naiv“ ansehen könnte – wir haben zum Beispiel schon damals Mitte der 70er im Lehramtsstudium mit Solartechniken experimentiert und für den Technikunterricht Modelle von verschiedenen Sonnenkollektoren gebaut.

Leider war damals die politische „Großwetterlage“ eine andere: der damalige Bundesvorsitzende der CDU Rainer Barzel hatte das konstruktive Misstrauensvotum gegen die Regierung Brandt verloren (wie man heute weiß, unter tätiger Mithilfe durch die Stasi, die mit Bestechungen agierte, um die rechnerische Mehrheit Barzels zu torpedieren und damit ein Weiterbestehen der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP in Form der Regierung Brandt – Scheel im Bund zu ermöglichen). Mit dem misslungenen Misstrauensvotum galt auch Barzel als „verbrannt“ und wurde 1973 durch Helmut Kohl als Vorsitzender der CDU und durch Karl Carstens als Fraktionsvorsitzender abgelöst.
Wiederum durch Stasi-Machenschaften (Guilleaume!) verlor Willy Brandt später seine Kanzlerschaft und wurde durch Helmut Schmidt (in meinen Augen auch heute immer noch einer der meistüberschätzten Bundeskanzler) ersetzt. Die SPD hatte damit zu tun, sich als traditionelle Arbeiterpartei zu profilieren, was die CDU – nun unter Helmut Kohl – dazu zwang, ebenfalls die Industriearbeiterschaft noch stärker in den Blick des politischen Handelns zu nehmen. Fragen des Natur- und Umweltschutzes fielen damit „hinten runter“ – Wahlen wurden damals eben am Hochofen gewonnen.
Später kam der sich wieder verschärfende Ost-West-Konflikt hinzu – die Sowjetunion begann mit der Stationierung von SS-20-Mittelstreckenraketen, die erstmals eine atomare Bedrohung des europäischen NATO-Raums darstellten, ohne dass die USA betroffen gewesen wären. Das Ziel der Sowjets war deutlich: es ging darum, einen Keil zwischen die europäischen und nordamerikanischen Partner des NATO-Bündnisses zu treiben. Die NATO reagierte mit dem „Doppelbeschluss“, über den Helmut Schmidt dann letztendlich stolperte, weil ihn seine eigene Partei in dieser Frage im Stich ließ. Der Rest ist Geschichte …

Ich kann durchaus nachvollziehen, dass vielen Menschen das „grüne Gedankengut“ Gruhls in der CDU in der damaligen politischen Großwetterlage als unwesentlich erschien; es gab halt augenscheinlich aus kurzfristiger Sicht heraus Wichtigeres zu entscheiden. Gruhl trat 1978 aus der CDU aus, gründete die „Grüne Aktion Zukunft“ (GAZ), die sich wiederum Anfang der 80er an der Gründung der GRÜNEN beteiligte. Aus der GAZ ging dann später die ÖDP hervor. Das weitere Schicksal Gruhls soll hier nicht weiter referiert werden; es ist an anderer Stelle nachlesbar. Für mich ist aber entscheidend: die CDU war Mitte der 70er Jahre einmal auf gutem und durch „Parteiprominenz“ unterstütztem Weg, Ökonomie und Ökologie miteinander zu verbinden. Mich hat diese Entwicklung durchaus geprägt, auch in meinen persönlichen Entscheidungen. Nur ein Beispiel: unser in der ersten Hälfte der 80er Jahre gebautes Haus hat von Anfang an eine Wärmepumpenanlage für Heizung und Warmwassergewinnung. Ich selbst bin aber weiterhin noch lange Jahre CDU-Mitglied geblieben, nicht zuletzt auch deshalb, weil für mich die GRÜNEN ihre Umweltorientierung immer wieder mit linkem (Jutta Ditfurth) und rechtem (der unsägliche Baldur Springmann) Gedankengut vermischten. Beide Richtungen lehne ich noch heute ab!

Die CDU hat aber jedenfalls ihre Chance, die sich ihr aus den eigenen Reihen heraus bot, nicht ergriffen. Sie hat den Gedanken der „Bewahrung der Schöpfung“ nicht, wie es ihr als Partei aus christlichem Grundverständnis heraus gut angestanden hätte, so intensiv aufgegriffen wie es nötig gewesen wäre. Ich bin ziemlich überzeugt, dass eine ausgeprägt ökologisch ausgerichtete Union uns heute mehr als denn je fehlt! Hätte die Union die Überlegungen Gruhls und anderer aus den 70ern aufgegriffen und weiterentwickelt, stünde unser Land heute anders – und vermutlich besser – da!

Ich habe übrigens wegen eines überbordenden Wirtschaftsliberalismus in der Partei die CDU bereits vor mehr als zehn Jahren verlassen, aber nicht die Union! Ich bin weiterhin Mitglied der Christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft (der häufig so genannten „Sozialausschüsse“ der Union) und seit einigen Monaten auch der KlimaUnion, von der ich hoffe, dass sie zu einer auf Klimaschutz und Bewahrung der Schöpfung neu ausgerichteten Union beitragen kann.

Hoffentlich gelingt es, die kommenden Monate und Jahre dazu zu nutzen, diese Modernisierung der Union voranzutreiben und vor allem nicht die Fehler von vor 50 Jahren zu wiederholen!

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Für ein modernes Wahlrecht in Deutschland!

Ich habe gerade einen Kommentar gelesen, in dem ein Zeitgenosse darüber räsoniert, warum Abgeordnete nicht von ihrer Partei bezahlt werden – schließlich bekämen die Parteien doch genug Geld. Und dass Abgeordnete auch noch neben dem Mandat berufstätig sind, findet er ganz schlimm!

Für mich ist das ein Indiz dafür, wie weit unser Verhältniswahlrecht mit seinem Vorrang der Listenstimme (Zweitstimme) bereits die Gedanken der Menschen korrumpiert hat. Der Gedanke des freien und unabhängigen Mandats ist für manche Leute schon nicht mehr präsent; vielmehr sehen sie inzwischen die Abgeordneten nur noch als „Zählstimmen“, die den Prozentsatz ihrer Fraktionen im Parlament umzusetzen haben. Da hinein passen auch Überlegungen, im Zuge einer Wahlrechtsreform den Wert der Erststimmen und damit des Direktmandats noch weiter zurückzudrängen als es heute durch Ausgleichs- und Überhangmandate bereits geschieht.

Ich finde: das immer mehr – nicht zuletzt auch durch die Judikatur des Verfassungsgerichts – ausufernde Übergewicht der Verhältniswahl vor der Mehrheitswahl gehört reformiert. Ich wünsche mir freie Abgeordnete, für die die Menschen in ihrem Wahlkreis höhere Bedeutung haben als die Linie ihrer Partei bei der Aufstellung von Landeslisten. Das heißt ja nicht, dass ein alleiniges Mehrheitswahlrecht wie in Großbritannien geschaffen werden müsste. Dem könnte aber das sog. „Grabenwahlrecht“ weiterhelfen, in dem ein Teil des Parlaments (etwa ein Drittel oder die Hälfte) den Direktmandatsträgern zugeordnet wird und der andere Teil nach den Grundsätzen der Verhältniswahl besetzt wird – ohne Ausgleichs- und Überhangmandate. Willkommener Nebeneffekt wäre, dass die Größe des Parlaments im Voraus bekannt ist und nicht immer wieder schwankt, idR also bis zur baldigen Funktionsunfähigkeit vergrößert wird, je mehr Menschen ihre Wahlentscheidung „splitten“.

Sage keiner, das sei nicht demokratisch: es wird ja wohl niemand allen Ernstes behaupten, Großbritannien, die Wiege unseres modernen Parlamentarismus mit seinem reinen Mehrheitswahlrecht, sei nicht demokratisch verfasst. Um so weniger wäre ein „Grabenwahlrecht“ als Kombination von Verhältnis- und echter Mehrheitswahl demokratisch fragwürdig.

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Digitalisierungswüste Deutschland!

Die „Westfälischen Nachrichten“ beschreiben heute in einem Artikel den Weg der Beantragung von Kindergeld bei der Familienkasse: Antrag online am Bildschirm ausfüllen, dann ausdrucken, eigenhändig unterschreiben, in Briefumschlag eintüten, Briefmarke kaufen und draufkleben und per Post an die Familienkasse bei der Arbeitsagentur senden! Wahrscheinlich wird dort das Dokument dann „händisch“ in einen Datensatz übertragen, eingescannt und als Anlage dem Datensatz beigefügt. Kommunikationstechnik von vorgestern – wahrscheinlich hat diesen Workflow jemand erstellt, der auch immer noch 2 10-Cent-Stücke für eine Telefonzelle mit Wählscheibentelefon („Münzfernsprecher“) in der Jackentasche trägt.

Hat eigentlich bei der Arbeitsagentur noch niemand bemerkt, dass heute Behördenkommunikation viel einfacher mittels digitaler Signatur über die Ausweis-App laufen kann? Jeder Personalausweis enthält inzwischen den Chip, mit dem gesicherte Kommunikation aufgebaut werden kann, und man benötigt dafür auch nicht mehr wie früher einen (teuren) Kartenleser am PC, sondern diese Funktion ist heute in jedem iPhone oder Android-Smartphone selbst älterer Bauart enthalten. Es wäre also so einfach: Antrag am Bildschirm ausfüllen, mittels Smartphone und AusweisApp verifizieren und ab dafür! Kein Drucker, kein Papier, kein Briefumschlag, keine Briefmarke mehr nötig.

Übrigens: hier lobe ich mir die Deutsche Rentenversicherung, die Online-Kommunikation mittels AusweisApp inzwischen perfekt beherrscht. Mein Rentenantrag im vergangenen Jahr, mein Rentenbescheid, Schriftverkehr mit der Rentenversicherung – alles funktioniert auf diesem Weg. Es geht also, wenn man will – und die (ja bereits vorhandenen) technischen Möglichkeiten der Behördenkommunikation zielgerichtet einsetzt.

Nachbrenner: während z.B. die Stadt Münster bereits ein „Bürgerportal“ mit verschiedenen Funktionen auf diesem Weg betreibt, fällt auf, dass z.B. der Kreis Steinfurt – immerhin einer der größten in NRW – hier noch ein „weißer Fleck“ ist. Das gilt aber auch für eine Reihe weiterer Kommunen – positiv sticht hier die Gemeinde Netphen im Kreis Siegen-Wittgenstein heraus. Auch hier besteht also weithin Modernisierungsbedarf!

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Umgezogen!

Ich bin gerade dabei, diesen Blog auf eine andere Instanz umzuziehen. Es kann sein, dass dadurch zunächst noch Fehler auftreten. Dafür bitte ich um Verständnis!

EDIT: der Umzug ist jetzt durchgeführt; die neue technische URL lautet: https://www.steinfurt-net.de/familienblog
Wer über den alten Zugang „familie-brodesser.eu“ hierhin kommt, müsste dann nach dem entsprechenden Beitrag etwas suchen. Leider konnte ich die alten Permalinks nicht konvertieren. Die Liste der neuesten Beiträge findet ihr in der rechten Menüspalte.

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neue Küche bestellt

Mehr als drei Jahre haben wir jetzt bereits an dem Projekt herumgedacht – geplant – überlegt, und heute war es nun soweit: wir haben unsere neue Küche bestellt!

Wenn alles gut geht, wird sie noch in diesem Jahr geliefert werden. Hoffen wir das beste!

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Hochwasser 2021 – was lernt uns das?

Mit dem Abstand von fünf Wochen wird zunehmend über die Abarbeitung der Lage in den deutschen Hochwassergebieten räsoniert – durchaus vielerorts nicht zu Unrecht, denn das, was da teilweise von den zuständigen Behörden abgeliefert worden ist, war grottenschlecht. Daran gibt es nichts zu deuteln!
Dennoch: auch manche Kritik ist überzogen, manchmal interessengeleitet und vielfach insbesondere von jeder Sachkenntnis ungetrübt!

Was wird nicht gesehen oder nicht beachtet?
Manche Kritiker verkennen, dass es „den Katastrophenschutz“ als Instrument oder Organisation nicht gibt. Katastrophenschutz ist anders als z.B. die Bundeswehr keine irgendwie geartete „Truppe“, sondern eine Arbeitsform. Im Katastrophenschutz arbeiten ganz viele Akteure des täglichen Lebens mit, es gibt aber keine zusätzlichen Humanressourcen namens „Katastrophenschutz“, die irgendwo kaserniert parat stehen und dann auf Knopfdruck zum Leben erweckt und in den Einsatz gebracht werden können. Katastrophenschutz ist vielmehr die Umstellung des Verwaltungshandelns auf die besondere Situation einer Großschadenslage mit den dann erforderlichen geänderten Strukturen und Arbeitsformen.

Und hier „liegt bereits der erste Hase im Pfeffer“: gerade diejenigen Funktionsträger, die in einer solchen Situation den „kommandierenden General des Katastrophenschutzes“ darstellen, nämlich die Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte, haben sich vielfach in der Vergangenheit vor der erforderlichen Qualifizierung für diese Aufgabe gedrückt, entweder weil es ja noch so viele andere wichtige Aufgaben gab oder aber weil solche Lagen ja eigentlich nicht vorkommen und warum soll man dann … oder vielleicht auch, weil sie Sorge hatten, sich schlicht und einfach vor ihren „Mitstreitern“ aus Feuerwehren und Hilfsorganisationen, die an den Landesfeuerwehrschulen und Schulen der Hilfsorganisationen diese Führungskräftequalifikation bereits erworben haben und die bei Ausbildungen und Übungen dann dabei sind, nicht als unwissende Figuren zu blamieren. Nun gut – dann blamiert man sich halt im tatsächlichen Einsatzgeschehen, wie ja nun auch in den vergangenen Wochen zu beobachten, und setzt dabei Menschenleben und bedeutende Sachwerte aufs Spiel! Dass es dabei auch ganz hervorragende Leistungsträger gibt, sei nicht verschwiegen – aber: in ihrer Mehrzahl müssen die Verwaltungschefs sich besser als bisher auf diese Aufgabe vorbereiten!

Ein zweiter „im Pfeffer liegender Hase“ kommt dann bald hinterher: in der Tat ist die heutige Gefahrenabwehrstruktur, wie sie unser Grundgesetz hergibt, keinem in Strukturen und Notwendigkeiten eines Einsatzgeschehens denkenden Menschen noch vermittelbar. Da gibt es Strukturen, die dem Bund gehören – die sind aber nur für den Kriegsfall; da gibt es Strukturen der Länder, die aber nicht ohne weiteres für die Kreise und Gemeinden „auf Knopfdruck“ genutzt werden können; da gibt es Ressourcen, die der Bund nicht mehr benötigt, die aber für die Länder sehr hilfreich sein könnten, und die dennoch nicht (mehr) da sind, weil die Rechnungsräte dagegen waren, diese den Ländern oder Kommunen unentgeltlich zu übereignen (obwohl dem Bürger ja eigentlich egal ist, ob sein Steuer-Euro für eine Bundes- oder eine Landesaufgabe eingesetzt wird – Hauptsache, er wird sachgerecht eingesetzt).
Denken wir an die Alarmierung: die seinerzeit vom Bund für Verteidigungszwecke aufgebauten Sirenen wurden von diesem nicht mehr benötigt (was ja durchaus auch in Frage gestellt werden könnte, das ist aber nicht mein heutiges Thema). Anstatt diese nun unmittelbar den Ländern, Kreisen und Gemeinden für deren Zwecke zur Verfügung zu stellen, hat der Bund sie den Kommunen zum Kauf angeboten (!) und viele haben dieses Angebot dann sogar dankend abgelehnt. Das Ende vom Lied: ein funktionierendes flächendeckendes Sirenennetz ist mutwillig aufgegeben worden und muss nun, wo man seine Notwendigkeit und Bedeutung erkannt hat, für teuer‘ Geld wieder aufgebaut werden.
Wenn sich sowohl Bund als auch Länder gemeinsam als verantwortlich für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger in Schadenssituationen verstanden hätten, wäre es wahrscheinlich zu einer solchen Fehlleistung nicht gekommen. Aber man hat in den üblichen Kategorien der Verwaltung gedacht („erster Schritt des Verwaltungshandelns: prüfen der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit“) und die Notwendigkeit, gerade in Schadenssituationen nicht zu verwalten, sondern zu führen, überhaupt nicht berücksichtigt.
Bleiben wir bei der Alarmierung: während in NRW jede Leitstelle eines Kreises oder einer Stadt in der Lage ist, die Warnapps „NINA“ oder „KatWarn“ über das einheitliche Warnsystem MoWaS auszulösen, gibt es solche lokalen Auslösemöglichkeiten in Rheinland-Pfalz dem Vernehmen nach nicht. Hier müssen diese Warnmeldungen erst an zentrale Stellen gegeben werden, die dann die Auslösung vornehmen, und wenn es stimmt, was berichtet wird, dann hat man im Kreis Ahrweiler anscheinend gar nicht an MoWaS gedacht und lediglich über KatWarn gewarnt mit der Folge, dass die Warnung an den Nutzern der NINA-App vorbeiging. Die Nicht-Nutzung vorhandener Infrastrukturen in einer solchen Lage ist aber ein Kardinalfehler, der nicht mehr zu beheben ist. Ob dies mitursächlich für Todesopfer sein kann, wird der Staatsanwalt ermitteln und vermutlich später ein Gericht klären.

Und der dritte „Pfefferhase“ sei gleich noch nachgeschoben: jeder, der einmal eine Ausbildung in einem taktischen Führungssystem genossen hat, kennt den Grundsatz „Abschnitte bilden und delegieren“. Das falscheste, was man in einer solchen Lage machen kann, ist, alle Entscheidungen „nach oben“ zu ziehen und zu versuchen, zu führen wie der alte Fritz auf dem Feldherrnhügel: alles hört auf mein Kommando! Die Bundeswehr hat dies sogar in ihren Regelungen für die militärische Unterstützung im Katastrophenfall hinterlegt: wird „militärischer Katastrophenalarm“ ausgelöst, bedeutet dies die Berechtigung für den Truppenführer vor Ort, alles was ihm notwendig und sinnvoll erscheint einsetzen zu dürfen, ohne vorher „weiter oben“ nachfragen zu müssen – er muss lediglich melden, was bereits eingesetzt ist, damit die Führung nicht die Übersicht verliert. Eigentlich gilt dies auch im Katastrophenschutz: die Führungsdienstvorschrift, der sich alle Organisationen gemeinsam unterworfen haben, nennt dies „Führen nach Auftrag“ und „lageorientiertes Handeln“. Wenn man dann aber in einem Fernsehbericht den Leiter der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier mit der Einlassung vernimmt, er habe sich noch kein Bild vor Ort über die Lage machen können, weil er ständig Aufträge unterzeichnen müsse, dann fragt man sich, wo diese Persönlichkeit ihre Führungsausbildung gemacht hat oder ob deren Inhalte verstanden worden sind. Man beachte: die ADD Trier ist die zuständige Mittelbehörde des Landes Rheinland-Pfalz für den Katastrophenschutz, also keine Stelle, die der Zufall des Augenblicks böse getroffen hat, sondern deren Handeln gerade auf solche Lagen ausgerichtet sein sollte.
Ich finde es richtig, dass man einen zentralen Bereitstellungsraum am Nürburgring eingerichtet hat – eine große Zahl von Einheiten lässt sich über solche zentralen Punkte besser koordinieren und einsetzen. Danach hätte aber jede Gemeinde die Berechtigung haben müssen, die bei ihr benötigten Fähigkeiten unmittelbar dort abzurufen. Angeblich musste dies aber über die ADD Trier geschehen, wenn Berichte stimmen, und das hat dazu geführt, dass angeforderte Kräfte nicht oder zu spät vor Ort waren und andere schließlich frustriert wieder ohne Einsatz heimgefahren sind. Was hätte ein gewiefter Taktiker gemacht? Er hätte sich ein paar Einheiten als seine taktische Reserve („Einsatzreserve ADD“) unmittelbar unterstellt, um sich nicht „bloßzustrampeln“ und auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können, den übrigen großen Teil aber zum Abruf durch die Gemeinden freigegeben, so dass diese sehr rasch an benötigte Fähigkeiten gekommen wären, ohne ein langwieriges Anforderungswesen durchlaufen zu müssen. Und hätte man es richtig toll gemacht, hätte man am Nürburgring noch ein Verbindungsbüro mit einer Führungskraft jeder Gemeinde installiert, so dass der Bürgermeister „zuhause“ mit seinem Mitarbeiter hätte abstimmen können, was verfügbar ist und was man zielorientiert einsetzen kann. Eigentlich kennt man das ja bereits: die Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr bilden diese Fähigkeit bezogen auf den militärischen Bereich planmäßig ab – warum also ähnliche erprobte Strukturen nicht auch bei den zivilen Institutionen auf der Gemeindeebene einsetzen? Aber: um so zu handeln, muss man Taktik gelernt haben, man muss bereit sein, Abschnitte zu bilden und zu delegieren und man muss vor allem seinem nachgeordneten Bereich Vertrauen entgegenbringen. Ob diese Voraussetzungen da waren oder aber vielleicht doch gefehlt haben, werden die weiteren Untersuchungen zeigen.

In den kommenden Wochen und Monaten werden sicherlich noch viele „kundige Thebaner“ über das Ereignis des deutschen „Hochwassersommers“ nachdenken und sich Gedanken über Fehler machen. Wichtig ist aber, dass nicht nur Fehler erkannt, sondern vor allem Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Daher auch hier abschließend meine Gedanken zur Lösung:

  1. Die antiquierte anlassorientierte Aufteilung der Verantwortung zwischen Bund und Ländern (Krieg vs. Frieden) sollte aufgegeben werden. Was hindert uns eigentlich daran, hier eine Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe zu sehen, die mit einheitlichen Strukturen und der Einbindung aller Ressourcen abgearbeitet werden kann? Es darf einfach nicht mehr sein, dass Luftretter der Wasserwacht aus Bayern nicht in Rheinland-Pfalz zum Einsatz kommen können, weil deren Einsatzmittel ein Hubschrauber der Bundespolizei und nicht der Landespolizei ist.
  2. Die Leitstellen sind Dreh- und Angelpunkt jedes Einsatzgeschehens und nicht zuletzt der Alarmierung. Daher gehört in jede Leitstelle, egal wer gerade der Betreiber ist, die Möglichkeit, Alarmierungen über MoWaS auszulösen und alle notwendigen Kräfte anzufordern und einzusetzen, bis dann die behördliche Einsatzleitung den Einsatz übernimmt. Hier darf es keinen Bruch und keine zeitliche Lücke geben. Dass zu einem solchen System dann auch Cell-Broadcasting als Alarmierungsmittel gehört, versteht sich von selbst – hier hat der Bund ja nun bereits die erforderliche Kehrtwendung vollzogen. Die „Sirene in der Hosentasche“ jedes einzelnen kann die noch immer klaffende Warnlücke weitgehend schließen – sie wird unbedingt gebraucht!
  3. Es muss endlich sichergestellt werden, dass die Verwaltungsspitzen, auf die im Katastrophenfall eine Unmenge an Verantwortung zukommt, sich für diese Aufgabe qualifizieren, und zwar nicht irgendwann, sondern am besten vor der Übernahme der Aufgabe, spätestens aber unmittelbar nach dem Aushändigen der Ernennungsurkunde. Niemand würde es verstehen, wenn bei der Truppe ein Bataillonskommandeur eingesetzt würde ohne vorher die erforderliche Stabsausbildung absolviert zu haben – bei einem Landrat oder Oberbürgermeister (der im Zweifel mehr „verbundene Truppen“ als nur ein Bataillon zu führen hat) nimmt man das hin in der Hoffnung, dass Gott demjenigen, dem er ein Amt gibt, schon irgendwie den Verstand dafür zukommen lassen wird. Katastrophenschutz ist eine höchst qualifizierte Aufgabe – bei jedem Gruppen- oder Zugführer der Feuerwehr oder einer Hilfsorganisation wird dies ganz selbstverständlich so gesehen, aber beim „Chef“, der für einen ganzen Kreis oder noch mehr zuständig ist, nicht? Das darf nicht sein!
  4. Und ein letztes: in den vergangenen Jahrzehnten sind wichtige fachdienstliche Fähigkeiten des Katastrophenschutzes verloren gegangen. Ich denke hier an Informations- und Kommunikationstechnik, an Trinkwasseraufbereitung und Trinkwassertransport, an die Fähigkeit zur Einrichtung von Feldlagern, an logistische Strukturen für einen Tage und Wochen dauernden Einsatz. Liegt es an der Kommunalisierung von Gefahrenabwehr, dass man heute fast überall davon ausgeht, Einsatzkräfte könnten am Abend wieder im eigenen Bett schlafen und sich zu Hause duschen und verpflegen? Schon bei den Einsätzen an der Elbe haben diese Fähigkeiten schmerzlich gefehlt. Einige Hilfsorganisationen haben daraus ihre Schlüsse gezogen und eigene Strukturen hierfür geschaffen – ein einheitlicher systemischer Ansatz dafür besteht jedoch bis heute nicht. Diese Ressourcen müssen dringend (wieder) aufgebaut werden!

So, jetzt habe ich erst einmal genug räsoniert und mir Frust vom Leibe geschrieben – mal schauen, ob es Resonanz hierauf gibt. Vielleicht ergibt sich aus meinen Gedanken ja eine muntere Diskussion!

Nein, ich ändere die Überschrift nicht! Ich weiß, dass das grammatikalisch falsch ist und eigentlich „lehrt“ heißen müsste, aber: es handelt sich um einen „running gag“ aus meiner Studienzeit (Lehramt). Wir hatten einen Prof, der sich lang und breit und immer wieder über die Unterschiede zwischen „lehren“ und „lernen“ auslassen konnte, was uns Studiker natürlich veranlasste, uns immer wieder darüber zu amüsieren und lustig zu machen. Deshalb: das bleibt so, wie es ist! Punktum!

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„Als die Römer frech geworden …“ – oder: Gedanken über die Bedeutung der Schlacht im Teutoburger Wald

In den Urlaub zu fahren löst manchmal ungewöhnliche Gedanken aus, wahrscheinlich nicht nur bei mir. Ein paar Tage in Xanten (ist übrigens als Zielort für einen Kurztrip sehr zu empfehlen) haben bei mir nahezu „defätistische“ Überlegungen ausgelöst, als wir das Freilichtmuseum mit den Ausgrabungen aus der CUT („Colonia Ulpia Trajana“) besucht haben. Manche städtebaulichen und kulturellen Errungenschaften aus der römischen Zeit wären auch heute nach zweitausend Jahren noch nachahmenswert. Die Struktur der Vermischung zwischen Wohnen und Arbeiten in den Insulae, die Hygiene- und Badekultur in den Thermen, die geradezu an die Moderne gemahnende Verwendung von Baustoffen sind hoch beeindruckend und stellen in Frage, ob wir uns in der Zwischenzeit tatsächlich so sehr weiterentwickelt haben wie wir manchmal meinen. Wasserleitungen, Abwasserentsorgung, Fußbodenheizung und vielen mehr: alles das hatten die Römer bereits vor 2000 Jahren in ihrer Garnisonsstadt am Niederrhein! Wir haben den gleichen Stand erst nach vielen Jahrhunderten wieder erreicht.

Und da kommt jetzt der ketzerische Gedankengang: für mich als jemand, der in Ostwestfalen aufgewachsen ist, war Armin der Cherusker („Hermannsdenkmal“) und die Schlacht im Teutoburger Wald etwas, das immer wieder als höchst bedeutsam für uns Deutsche angesprochen worden ist. Aber stimmt das überhaupt? Wäre es vielleicht sogar besser gewesen, dieses Geschehen hätte es nie gegeben?

Unstrittig ist: Arminius ist charakterlich kein Vorbild. Er hat sich als in Rom aufgewachsener Mensch gegen seine Umgebung gestellt und soll sich angeblich sogar damit, dass er die Cherusker und umliegenden Völkerstämme gegen die Römer geführt hat, treuwidrig verhalten haben. Es geht die Legende, dass er seinen „Seitenwechsel“ den Römern nicht deutlich gemacht habe und daher sein Sieg teilweise auf den Überraschungseffekt zurückzuführen sei, denn Varus habe nicht damit rechnen können, dass seine germanischen Hilfsvölker sich plötzlich gegen ihn stellen würden. Sei’s drum – Untreue und Seitenwechsel waren in römischer Zeit nicht unbedingt ungewöhnlich; dennoch sei die Charakterfrage hier erlaubt.
Aber was wäre gewesen, wenn die Römer den germanischen Raum zur damaligen Zeit tatsächlich kolonisiert hätten? Hätte die römische Kultur dann vielleicht schon um die Zeitenwende breit in Germanien Einzug gehalten? Hätte Rom dann vielleicht die Wirren der Völkerwanderung besser überstehen können? Es ist nicht auszuschließen, dass die Weltgeschichte dann einen anderen Verlauf genommen hätte; zumindest aber hätte römisch-mediterrane Kultur um Jahrhunderte früher zwischen Rhein und Elbe Einzug gehalten und zivilisatorisch gewirkt.
Jedenfalls wäre es vermutlich nicht verkehrt gewesen, wenn bereits die „alten Germanen“ etliche römische Errungenschaften übernommen und nicht durch ihren Sieg hinter den Rhein zurückgedrückt hätten.

Ich befürchte, dass ich bei künftigen Besuchen im Lipperland das Hermannsdenkmal nun mit anderen Augen betrachten werde: neben dem Monument nationaler Überhöhung des Sieges des Arminius über Varus wird es für mich künftig auch ein Mahnmal dafür sein, dass Germanien kulturell möglicherweise um Jahrhunderte zurückgeworfen worden ist. Und das ist doch eigentlich schade!

Und daher nun meine dringende Empfehlung: schaut euch das Freilichtmuseum und das Römermuseum in Xanten einmal an – die Archäologen des Landschaftsverbands Rheinland haben dort gute Arbeit geleistet. Ein Besuch ist sehr empfehlenswert!

https://apx.lvr.de

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„Die Rente ist sicher“ – oder wie oder was?

Das Papier der „Rentenweisen“ im Wirtschaftsministerium wird zu Recht derzeit „in der Luft zerrissen“ – Rente mit 68 ist nicht nur unpopulär, sondern auch illusionsbehaftet. Viele Arbeitnehmer würden ihr Rentenalter dann nicht mehr gesund erreichen.

Andersherum aber: es ist keine Frage, dass eine steigende Zahl von Rentenbeziehern bei gleichzeitig größerer Lebenserwartung, dabei aber einer sinkenden Zahl von Beschäftigten als absolute Zahl und auch wegen des späteren Eintritts in das Berufsleben Finanzierungsprobleme aufwirft; dafür braucht man keine höhere Mathematik, sondern das zeigt schon ein einfacher Dreisatz.

Warum nicht mal etwas anders denken? Dass die Rentenversicherungsleistung für die Arbeitnehmer an ihren Lohn gekoppelt ist, halte ich für sachgerecht und das sollte auch nicht aufgegeben werden. Dieses „Äquivalenzprinzip“ ist unmittelbar nachvollziehbar und aus meiner Sicht gerecht, weil es die spätere Rente unmittelbar an die Lebensleistung knüpft. Aber: für die Arbeitgeberbeiträge – die aus meiner Sicht unbedingt beibehalten werden müssen, damit da kein Missverständnis entsteht! – ist dieses Äquivalenzprinzip nicht zwingend. Warum prüft man nicht, ob die Arbeitgeberbeiträge zukünftig nicht besser an die Wertschöpfung des Unternehmens gekoppelt werden? Als Nebeneffekt würde damit erreicht, dass Rationalisierungseffekte (steigende Wertschöpfung bei sinkender Lohnsumme) nicht zu Lasten der Rentenkasse gingen, sondern eine Reduzierung der Belegschaft mit sinkender Lohnsumme bei gleicher Wertschöpfung dennoch ausreichende Beiträge in die Rentenkasse bringen würde. Die Rente bliebe damit einerseits an die Lebensleistung der Beschäftigten gekoppelt, andererseits würden die Unternehmen unabhängig von Rationalisierungseffekten weiterhin im Maße ihrer Wertschöpfung an der Rentenfinanzierung beteiligt bleiben.

Und außerdem: wenn es einem Unternehmen mal schlecht geht, würde es in diesem Zeitraum wegen gesunkener Wertschöpfung weniger AG-Beitrag zu zahlen haben (was ihm helfen könnte, wieder aus dem „Loch“ herauszukommen) und später, wenn es ihm wieder besser geht, zahlt es unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten wieder nach dem Maß seiner Wertschöpfung in die Rentenkasse ein.

Wäre es nicht sinnvoll, ein solches Modell einmal durchzurechnen? Ich bin kein Versicherungsmathematiker, glaube aber, dass zumindest der Ansatz eines solchen „Wertschöpfungsbeitrags“ als Ersatz des lohnsummenbezogenen Arbeitgeberbeitrags zur Rentenversicherung einmal geprüft und durchgerechnet werden sollte.

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